Widerruf eines Autokreditvertrags

Der EuGH hat über den Widerruf von Verbraucherkreditverträgen, die zur Finanzierung eines Autokaufs abgeschlossen wurden, entschieden.

Mehrere Autokäufer streiten mit der Volkswagen Bank, der Skoda Bank bzw. der BMW Bank vor dem Landgericht Ravensburg darüber, ob sie die mit diesen Banken zum Zwecke eines Autokaufs abgeschlossenen Kreditverträge Jahre nach Vertragsabschluss (teilweise sogar nach vollständiger Rückzahlung) wirksam widerrufen können, weil die Verträge nicht alle erforderlichen Informationen enthalten hätten. Nach Art. 14 der Richtlinie 2008/48 über den Verbraucherkredit kann der Verbraucher den Kreditvertrag innerhalb von 14 Kalendertagen ohne Angabe von Gründen widerrufen, wobei die Widerrufsfrist entweder an dem Tag beginnt, an dem der Kreditvertrag geschlossen wird, oder an dem Tag, an dem der Verbraucher die Vertragsbedingungen und die Informationen nach Art. 10 der Richtlinie erhält, falls dies später geschieht.
In diesem Zusammenhang hat das Landgericht Ravensburg den Gerichtshof um die Auslegung dieser beiden Bestimmungen der Richtlinie gebeten.

In seinem Urteil antwortet der Gerichtshof dem Landgericht Ravensburg wie folgt:

(1) Art. 10 Abs. 2 Buchst. a, c und e der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates ist dahin auszulegen, dass der Kreditvertrag gegebenenfalls in klarer und prägnanter Weise den Hinweis enthalten muss, dass es sich um einen ³everbundenen Kreditvertrag³c im Sinne von Art. 3 Buchst. n der Richtlinie handelt und dass dieser Vertrag als befristeter Vertrag geschlossen wurde.

(2. Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/48 ist dahin auszulegen, dass er nicht verlangt, dass ein "verbundener Kreditvertrag" im Sinne von Art. 3 Buchst. n dieser Richtlinie, dessen einziger Zweck die Finanzierung eines Vertrags über die Lieferung von Waren ist und der vorsieht, dass der Kreditbetrag an den Verkäufer dieser Waren zu zahlen ist, den Hinweis enthält, dass der Verbraucher bis zur Höhe des gezahlten Betrags von seiner Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises befreit ist und dass ihm der Verkäufer im Fall der vollständigen Zahlung des Kaufpreises die gekauften Waren zu übergeben hat.

3. Art. 10 Abs. 2 Buchst. l der Richtlinie 2008/48 ist dahin auszulegen, dass im Kreditvertrag der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltende Verzugszinssatz in Form eines bestimmten Prozentsatzes angegeben sein muss und dass der Mechanismus für die Anpassung des Verzugszinssatzes konkret beschrieben sein muss. Haben die Parteien des betreffenden Kreditvertrags vereinbart, dass der Verzugszinssatz nach Maßgabe der Änderung des Leitzinssatzes geändert wird, der von der Zentralbank eines Mitgliedstaats festgelegt und in einem für jedermann leicht zugänglichen Amtsblatt veröffentlicht wird, so genügt ein Verweis auf diesen Leitzinssatz im Kreditvertrag, sofern die Methode zur Berechnung des Verzugszinssatzes nach dem Leitzinssatz in diesem Vertrag beschrieben wird. In diesem Zusammenhang sind zwei Anforderungen zu beachten. Erstens muss die Darstellung dieser Berechnungsmethode für einen Durchschnittsverbraucher, der nicht über finanzielle Fachkenntnisse verfügt, leicht verständlich sein und ihn in die Lage versetzen, den Verzugszinssatz auf der Grundlage der Angaben im Kreditvertrag zu berechnen. Zweitens muss die Häufigkeit der Änderung dieses Leitzinssatzes, die von den nationalen Bestimmungen abhängt, ebenfalls im betreffenden Kreditvertrag angegeben werden.

(4) Art. 10 Abs. 2 Buchst. r der Richtlinie 2008/48 ist dahin auszulegen, dass der Kreditvertrag die Methode zur Berechnung der bei vorzeitiger Rückzahlung des Kredits fälligen Entschädigung in einer konkreten und für einen Durchschnittsverbraucher leicht verständlichen Weise angeben muss, so dass er die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung auf der Grundlage der in diesem Vertrag enthaltenen Informationen bestimmen kann.

(5) Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/48 ist dahin auszulegen, dass er nicht verlangt, dass im Kreditvertrag alle Fälle angegeben werden, in denen den Vertragsparteien des Kreditvertrags nicht durch diese Richtlinie, sondern nur durch nationale Rechtsvorschriften ein Widerrufsrecht eingeräumt wird.

(Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 ist dahin auszulegen, dass er es dem Kreditgeber verwehrt, dem Verbraucher die Einrede der Verwirkung seines Widerrufsrechts nach dieser Bestimmung entgegenzuhalten, wenn eine der in Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/48 vorgesehenen Pflichtangaben weder in den Kreditvertrag aufgenommen noch in der Folge ordnungsgemäß mitgeteilt worden ist, und zwar unabhängig davon, ob der Verbraucher von seinem Widerrufsrecht Kenntnis hatte, ohne dass er diese Unkenntnis zu vertreten hätte.

(7. Die Richtlinie 2008/48 ist dahin auszulegen, dass der Kreditgeber, wenn der Verbraucher sein Widerrufsrecht nach Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 ausübt, nicht von einem Rechtsmissbrauch ausgehen darf, wenn eine der in Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie vorgesehenen Pflichtangaben weder in den Kreditvertrag aufgenommen noch später ordnungsgemäß mitgeteilt wurde, unabhängig davon, ob der Verbraucher von seinem Widerrufsrecht Kenntnis hatte.

8. Art. 10 Abs. 2 Buchst. t der Richtlinie 2008/48 ist dahin auszulegen, dass der Kreditvertrag die wesentlichen Informationen über etwaige dem Verbraucher zur Verfügung stehende außergerichtliche Beschwerde- oder Rechtsbehelfsverfahren und gegebenenfalls die damit verbundenen Kosten, die Angabe, ob die Beschwerde oder der Rechtsbehelf auf dem Postweg oder elektronisch einzureichen ist, die physische oder elektronische Adresse, an die die Beschwerde oder der Rechtsbehelf zu richten ist, sowie die sonstigen Formerfordernisse, denen die Beschwerde oder der Rechtsbehelf unterliegt, enthalten muss. Was diese Informationen betrifft, so reicht ein bloßer Verweis im Kreditvertrag auf eine im Internet verfügbare Verfahrensordnung oder auf ein anderes Dokument oder Schriftstück, in dem die Modalitäten des außergerichtlichen Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahrens dargelegt sind, nicht aus.

Quelle: EuGH-Pressemitteilung v. 09.09.2021